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Wahrheit über alles?

**********51597 Paar
559 Beiträge
Themenersteller 
Wahrheit über alles?
Soll man immer die Wahrheit sagen, auch eine unbequeme Wahrheit, die vielleicht verletzen könnte? Wäre eine Notlüge nicht besser? Ist eine Lüge, die Trost und Freude spendet, nicht einer verletzenden Wahrheit vorzuziehen?
Oder ist es immer richtig, die Wahrheit zu sagen? Auch die unbequeme Wahrheit, die der anderen Person sehr unangenehm wäre?

Was meint Ihr?
*******sima Frau
2.437 Beiträge
Dazu habe ich ein paar Verständnisfragen:
Was wäre für Dich
eine Lüge, die Trost und Freude spendet,
? Was eine "Notlüge"?Was verstehst Du unter "Wahrheit"? Welche Instanz beurteilt oder entscheide, dass bzw. ob die in Deinen Augen "unbequeme Wahrheit" der anderen Person sehr unangenehm wäre?
Ich meine, dass das eher individuell und eine Einzelfallentscheidung ist. Im Prinzip finde ich die Wahrheit klüger und moralisch richtig. Ist meist erstmal schwieriger, langfristig bringt es aber weniget Spätfolgen und Komplikationen. Ich denke aber auch, dass zum Beispiel nicht immer alles ausgesprochen werden muss, wenn es zb nur dem eigenen Gewissen dient, anderen aber nicht hilft.
**********51597 Paar
559 Beiträge
Themenersteller 
Wahrheit über alles?
Eine Lüge die Freunden Trost spendet. Bin ich bei Dir. Ich mag Menschen nicht verletzen. Aber sind Lügen das nicht auch? Ist es nicht möglich durch eine gut überlegte Wortwahl bei der Wahrheit zu bleiben ohne zu verletzen. Wachsen wir nicht an der Wahrheit.

Würdet ihr mich fragen: Möchtest Du wissen wenn Du nicht mehr lange zu leben hast? Ehrlich, ich weiß es nicht. Auf der einen Seite bin ich zu feige es wissen zu wollen und doch wäre es wichtig, um mich entsprechend vorzubereiten.

Vielleicht habt ihr bessere Antworten und Ideen als ich.
*****mus Mann
348 Beiträge
Ist es nicht ein ...
... Trugschluss, zu meinen, dass eine Lüge im Zweifel vor Verletzungen schützt? Ich meine, schon. Denn mit jeder Lüge wird Vertrauen zerstört - und Vertrauen benötigt man zum Führen von Beziehungen und Freundschaften, wie der Fisch das Wasser. Würde beispielsweise mein bester Freund bemerken, dass meine Partnerin fremdgeht und würde er mir das nicht sagen, weil er weiß, wie sehr ich sie vergöttere und auf Händen trage, dann würde er mich mit seinem Schweigen nicht schützen, sondern er würde sich am Betrug meiner Partnerin akriv beteiligen. Die Freundschaft zu ihm wäre genauso zerstört, wie die Beziehung zu meiner Partnerin, würde ich dahinter kommen.
Mich darf man nur in einer Situation anlügen: wenn ich mein Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk errate *zwinker*
****112 Frau
24 Beiträge
Wahrhaftigkeit
Namaste und einen schönen guten Abend zusammen,
die acht Stufen des Raja Yoga nach Patanjali können uns mit der ersten Stufe, den Yamas, eine Antwort auf die Fragestellung sein. Satya - Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Wahrheit - sei hier genannt. In diesem Sinne. Om shanti Omkari
Also ich würde etwas nicht sagen, wenn es komplett nix bringt und nur verletzt. Oder mich eher auf was Positives fokussieren. ZB würde man jemandem, der gerade fertig mit der Welt ist, nicht noch fünftausend Kritikpunkte an den Kopf schmeißen. Oder nach einer Trennung, wenn alles durch ist, nicht nachträglich noch völlig unnötig irgendwas hinterherwerfen. Sowas mein ich. Insofern, ich würde etwas nicht extra nochmal sagen, wenn die Wirkung nur destruktiv wäre und nichts konstruktives dabei rumkäme.
*******ght Frau
1.143 Beiträge
Eine Frage der Definition
Angenommen es schreibt mich hier jemand an, den ich total unattraktiv und zu mir völlig unpassend finde.

Was wäre dann die "Wahrheit":
Schreiben, dass ich ihn unattraktiv und unsexy finde?
Oder ihm schreiben, dass ich kein Interesse an ihm habe?

Manchmal habe ich den Eindruck, dass manche Leute unter dem Deckmäntelchen der "Wahrheit" und "Ehrlichkeit" sehr verletzend sein können.

Im Falle desjenigen, der mich anschreibt ist es ja im Prinzip irrelevant wie ich sein Aussehen einschätze, was mir nicht gefällt kann jemand anderer vielleicht super finden. Viel wesentlicher ist doch, dass ich kein Interesse an ihm habe.

Und genau unter diesem Gesichtspunkt würde ich das Thema Wahrheit sehen: Was ist für den-/diejenige derzeit wichtig?
**********henke Mann
9.633 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich stelle ...
... prinzipiell keine Fragen, deren Antworten ich nicht hören möchte.

Und was ist Wahrheit?
*********laf44 Frau
2.385 Beiträge
Wahrheit
Ich bin immer für die Wahrheit, denn jede Lüge holt dich ein.

Es gibt jedoch nicht nur weiß und schwarz, sondern Spektralfarben.

Damit meine ich, nicht nur Wahrheit oder Lüge, sondern wie man die Wahrheit formuliert.
Alles eine Frage der Perspektive... doch es muss die Wahrheit bleiben.
*******2000 Mann
32 Beiträge
Das ist mir zu philosophisch
zum Glück bin ich Naturwissenschafler: 1 und 1 sind dort immer zwei, und falls nicht, haben wir zumindestens ein mathematisches Grenzwertproblem, die Quantentheorie oder die Antimarkownikow-Regel *teufel*
****imu Mann
1.296 Beiträge
Wahrheit und Lüge
Wahrheit ist ein schwer zu fassender Begriff, über den schon viel geschrieben wurden. Vermutlich hat jeder Mensch seine eigene Wahrheiten. Was der eine als "Wahrheit" empfindet, beurteilt ein anderer vielleicht als totalen Unsinn. Man denke dabei nur an Verschwörungstheorien.
Dagegen ist der Begriff "Lüge" schon etwas einfacher in dem Sinne, dass man etwas völlig anderes sagt als man denkt.
Deshalb wäre eine klarere Fragestellung:

"Sagt ihr immer genau das, was ihr denkt?"

Meine These dazu ist: "Wer das konsequent versucht, wird sehr einsam". Es gibt viele Aussagungen, Schätzungen und Studien, wie oft ein Mensch am Tag lügt. Die Angaben schwanken zwischen 2 und 200.
Ich selbst versuche, jedem Menschen das zu sagen, was ich ihm zumuten kann und das in einer Form, die ihn möglichst nicht verletzt. Wenn ich diese Grenze überschreite, dann erreiche ich genau das Gegenteil von dem, was ich beabsichtige - statt Einsicht ernte ich totale Ablehnung.
Ich habe nur ganz wenige Freunde, mit denen ich fast vollkommen offen sein kann. Am schwierigsten ist das in der Beziehung, weil da die meisten Fallstricke lauern.
*******mcat Mann
3.228 Beiträge
@casimir2000
Einer meiner Lehrer in der Schule hat - unwissentlich komisch - einmal die "Wahrheit" über die Naturwissenschaft offenbart und mir gleichzeitig das Wesen von "fast richtig" bzw. "wahr genug" nahegebracht.

Dabei wollte er eigentlich nur den Rechenschieber erklären.

Also stellte er auf dem Rechenschieber die beiden Zahlen 2 und 2 zur Multiplikation sorgfältig ein.

"Und siehe da", sagte er, "was erhalten wir ? Das Ergebnis ist 3,999. Also sagen wir, es ist 4."

Soviel zur Genauigkeit der Wissenschaft - und zum Anspruch an die Wahrheit. Schliesslich hat er ja nicht gelogen - oder doch ?
*******use Mann
3.197 Beiträge
Wahrheit- ein Definitionsversuch
Wahrheit ist das, was "ist", auch dieses "ist" zu einem
früheren Zeitpunkt, also das, was war.
Dieses "ist" wird wohl nie ein Mensch vollständig erfassen
können- trotz stetigem Lernen und dem damit verbundenen
Wissenszuwachs.
Eine "wahre Aussage" ist also die, die die "objektive Realität"="ist"
bestmöglich widerspiegelt.
Da Subjekte damit naturgemäß Probleme haben (nämlich das Übergewichten
eigener Befindlichkeiten) ist dazu etwas nötig, was ich "das Bemühen um
größtmögliche Objektivität" nenne und was die Betrachtung komplexer Fragen
aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfordert.
Dies erfaßt mE. die Veränderungen in den Naturwissenschaften ganz gut.
Dazu ein Beispiel aus der Biologie:
Pflanze A gehört zur Gattung X in Familie Y- das ist heute eine wahre Aussage,
da es dem aktuellen Wissensstand entspricht.
Das kann morgen schon anders sein, da die Nomenklatur Verwandschaftsbeziehungen
zwischen den Lebewesen abbildet und neue Untersuchungsmethoden (gentechnische
Analysen) zu neuen Sichtweisen führen. Dies kann im Beispiel dazu führen, dass
Pflanze A nun zu Gattung Z gehört, weil Gattung X nun nicht mehr existiert.
Manchmal ändert sich auch nur die Sichtweise: Blaualgen sind von Aquarianern
gefürchtet. Seit etwa 10J. werden diese nicht mehr den Pflanzen, sondern den
Bakterien zugeordnet, weshalb sie nun Cyanobakterien heißen.

Im zwischenmenschlichen Bereich hilft das nicht viel, da die persönlichen
Befindlichkeiten eine große Rolle spielen(= Objektivität unmöglich).
Taktgefühl und (persönliche) Wahrheit sind da oft schwer in Einklang zu
bringen. Meist ist dazu nur Schweigen erforderlich, bei einer Frage kann
schon mal eine Notlüge angebracht sein.
Fragt die Partnerin "Schatz, findest du mich zu dick?", hilft wohl die Philosophie
nicht weiter. Ob ein "Steig doch mal auf die Analysewaage!" hilft? *g*

In der Gesellschaft/ Politik wird es dann noch schwieriger mit der Wahrheit.
****un Mann
61 Beiträge
Harte und verschwomene Grenzen...
Nicht ganz einfach...

Menschliche Seite:

Klar Wahrheit immer über Lüge....

...aber manchmal nichts sagen weil die Wahrheit, aus welchem Grund, nicht paßt, ist ja auch ne Art Lüge...

Also eher immer die Wahrheit sagen und nicht Lügen paßt sicher besser...

Dann kommt, wie genannt, dazu - der Ton macht die Musik. Lügen denke ich mal tun immer weh. Verschwiegene Wahrheit leider öfter auch. Wahrheit kann weh tun, aber da kommt es doch sehr drauf an wie man es sagen tut.

Denke aber, das zwischen Menschen, die Wahrheit immer besser ankommt....

Wissenschaft:

Es gibt nur die Wahrheit.... alles andere ist einfach falsch.... *zwinker*
Kommt doch drauf an zu wem?
Zu einem Freund oder Partnerin hat man ja eine moralische Verpflichtung die Wahrheit zu sagen.
Aber zu einem Kollegen oder Chef hat man diese ja nicht zwangslaeufig.
*********laf44 Frau
2.385 Beiträge
*******e_be:

Aber zu einem Kollegen oder Chef hat man diese ja nicht zwangslaeufig.

Ist das so...?

Würdest du zu mir unehrlich sein, als Mitarbeiter, als Kollege, hättest du verspielt.
Würdest du zu mir unehrlich sein, als Mitarbeiter, als Kollege, hättest du verspielt.

Aber das ist ja mit jedem der dich anlügt. Wer freut sich darüber denn angelogen zu werden. Aber eine moralische Verpflichtung ergibt sich daraus noch nicht.
Es ist eher eine Etikette, dass Lügen schlecht ist.
*******2000 Mann
32 Beiträge
@crazytomcat
und mit 3,9999999999.......... haben wir ein Grenzwertproblem, abder kein Wahrheitsproblem, wie bereits beschrieben
*******mcat Mann
3.228 Beiträge
Wahrheit definieren
Naturwissenschaftler und Sprache - der "übliche Konflikt".

Naturwissenschaftler (und ich habe ebensolches studiert) und insbesondere Mathematiker räumen gerne ein, dass es Dinge gibt, die "unscharf" sind. Schliesslich wurde das von "Naturwissenschaftlern" sogar BEOBACHTET. Folglich ist es WAHR. Gilt aber bitteschön nur für Quantenmechanik und so. Im Bereich ganzer Zahlen gilt: Zwei mal Zwei ist Vier. Oder Eins plus Eins ist Zwei. Basta.

Auch wird - und zwar immer dann wenn es um LOGIK geht und vor allem ums Programmieren von Maschinen - mit TRUE und FALSE hantiert. Klappt - hat schon immer geklappt. Ein #bisschentrue gibts nicht.

Das funktioniert recht gut. ERROR kommt immer dann, wenn man was verwechselt hat und die Maschine gegen die Wand fährt.

Im Umgang mit Menschen läuft das völlig aus dem Ruder.
Was ist, wenn man die Wahrheit sagt und das Gegenüber glaubt das einfach trotzdem nicht ?
Mensch, ich WEISS doch, dass das stimmt. Also hat das gefälligst #true zu sein.
Und der andere sagt: "nä - iss #false."

Scheisse aber auch - und ein Neustart des Vorganges geht auch nicht.
Dann steht man plötzlich ziemlich blöd da.

Was ich in meinem Beispiel mit dem rechenschiebernden Mathematiklehrer versuchte darzustellen war: Er lebte völlig in seiner Welt und wollte demonstrieren, wie die "Maschine" funktionierte. Nämlich exakt. Wenn man einstellt "multipliziere zwei mit zwei" dann hat da gefälligst vier rauszukommen. Schliesslich wurde das Ding dafür konstruiert, die glasklare Logik auch für den Menschen sichtbar zu machen.

Und das sich ergebende Selbstgespräch vor der Schulklasse "ach was, 3,9999 - sagen wir also 4" war ein grandioses Beispiel dafür, was passiert, wenn man "Wahrheit demonstrieren will" und auf die Schnauze fällt.

Wahrheit ist nämlich überhaupt nicht logisch. Und Wahrheit ist überhaupt nicht #true oder #false.
Wahrheit ist das, was das Gegenüber darunter versteht.

Ein geschulter Geist, dem so ein Mathematiker versucht, den Rechenschieber zu erklären, wird schmunzeln. Und, ja genau, darauf hinweisen: Wir haben da ein Grenzwertproblem - nicht ein Wahrheitsproblem.

Menschen in Alltags-Situationen, womöglich von Emotionen angeheizt (beispielsweise ein Paar im Streitgespräch oder Mitarbeiter/Chef im Berufsleben) könnten dazu neigen zu sagen: "Bleib mir weg mit Deiner "Wahrheit" bzw. Deinem Rechenschieber. Das funktioniert doch gar nicht - siehste, stimmt doch gar nicht, was da heraus kommt. Du sagst 4 und es ist 3,9999.

Also - Wahrheit ist manches mal einfach nur das, was geglaubt wird.

Und jetzt sind wir plötzlich auf einem ganz anderen Terrain - nämlich dem der Philosophie. Oder auch der Kommunikation - der zwischenmenschlichen. Da hilft kein Rechenschieber und auch keine Wahrheit.
*****ris Frau
45 Beiträge
Nicht nur dort.
Streift man mal die Psychologie und stellt die Frage: Wem nützt die Wahrheit verpackt in einer Lüge. Der Lügner (oder der, der die Wahrheit verschweigt) tut dies selbstverständlich nur zum Schutze desjenigen den die "harten Fakten" zu sehr verletzen oder schaden könnten. Aber wer trifft diese Entscheidung? Ist sie nicht einfach nur ein bequemes Mittel für den Sender, sich nicht mit der Art und Weise auseinandersetzen zu müssen, wie man Informationen verpackt?
Geht es nicht grundsätzlich nur um den eigenen Schutz?
Rechnet man überhaupt mit Wahrheit?
Ich denke im allgemeinen Gespräch mit meiner Umgebung rechne ich damit dass mir oftmals nicht immer die ganze Wahrheit zugemutet wird. Da braucht es nur einen Blick in die Augen meines Gegenübers. Und ganz ehrlich- ich finde das gar nicht schlimm. Zumindest nicht wenn diese Abweichung von der puren Wahrheit aus Rücksichtnahme erfolgt und nicht aus Faulheit sich über die Gefühle des Anderen Gedanken zu machen.
Außerdem denke ich, dass allein der Anspruch die Wahrheit zu sagen zum Scheitern verurteilt ist. Selbst das was ich zu einem Thema denke, kann von Erlebnissen des Tages, Umfeld und Laune oder (fehlenden) Informationen abhängen sein. Es kann also nur eine subjektive Wahrheit zu einem bestimmten Zeitpunkt mit bestimmten Informationen sein. Ändern sich diese Bedingungen so kann sich auch meine Wahrheit ändern.
So kann wohl auch mein Anspruch an den Wahrheitsgehalt der Aussage meines Gegenübers nur an diesen begrenzten Möglichkeiten gemessen werden.
*******sima Frau
2.437 Beiträge
"Das Praktische an der Wahrheit ist: Jeder hat eine."
In diesem auf den ersten Blick flapsigen Postkartenspruch steckt eine ganze Menge Lebensweisheit. Das weiß etwa, wer jemals rückblickend auf eine zerbrochene Beziehung sah und seine Sichtweise mit der des Ex-Partners / der Ex-Partnerin verglich.

Was aber, wenn dieser Abgleich von Erinnerung nie stattfand? Eine junge Filmemacherin wollte genau das wissen, und zwar zunächst aus persönlicher Betroffenheit. Denn ihre Eltern trennten sich bereits vor ihrer Geburt. Die Tochter erlebte diese Beziehung nie als harmonisch oder wenigstens konstruktiv, sondern immer in Form einer Auseinandersetzung, in der der eine über den anderen in dessen Abwesenheit sprach und urteilte.

Deshalb beschloss die Absolventin der Filmuniversität Babelsberg, ihre Eltern zu einem Dialog über ihre Beziehung zu überreden, bei dem die räumliche Distanz gewahrt bleibt. Praktisch sieht das so aus, dass sie ihre Eltern getrennt voneinander befragt und erzählen lässt. Die Ergebnisse spielt sie der Mutter und dem Vater auf dem Laptop vor - und filmt nun die Reaktionen auf das Gesagte des jeweils anderen. Der daraus entstandene 90-Minuten-Film (Carlotta Kittel: Er Sie Ich) wurde, in Anwesenheit der Regisseurin, im hiesigen Programmkino gezeigt und während ich ihn ansah, kamen mir immer mal wieder die Fragen des Eingangsposts dieses Threads hier in den Kopf - deshalb berichte ich hier davon.

Der Zeitpunkt der ersten Interviews lag viereinhalb Jahre zurück, als die zweite Runde gefilmt wurde. Schonungslos sind sowohl Fragen wie auch Antworten in diesem Film. "Wart Ihr jemals ein Paar?" will die Autorin gleich am Anfang von ihrem Vater wissen. Und schon sein sekundenkurzes Zögern nimmt die Antwort fast vorweg: "Ein richtiges Paar waren wir nie!" sagt er. Die Mutter beantwortet dieselbe Frage ganz anders - und so entwickelt sich ein Bild von der Beziehung zweier Menschen, die sogar uneins darüber sind, ob der andere je geliebt hat - und für wie lange. Vorstellungen und Urteile der beiden Elternteile übereinander setzen sich beim Zuschauer zu einem Bild zusammen, man ist sogleich emotional beteiligt, schlägt sich innerlich mal auf die eine, mal auf die andere "Seite". Insgesamt empfinde ich es als eine originelle, spannende und mutige Auseinandersetzung nicht nur mit den eigenen Eltern, sondern mit den Themen Wahrnehmung, Sprache und Erinnerung im Miteinander. Wie nahe muss diese Arbeit Carlotta Kittel und ihren Eltern gegangen sein!

Was trägt das zu unserem Thema hier bei? Nun, zum einen wird deutlich, dass es "die eine und einzige Wahrheit" nicht gibt, genau so wenig wie eine Messlatte dafür, ob eine beliebige Behauptung oder Aussage "wahrer" ist als eine andere. Meiner Auffassung nach ist Wahrheit grundsätzlich kontext-, situations- und personenabhängig und hat darüber hinaus immer auch etwas mit der eigenen, subjektiven Wahrnehmung des sich Äußernden zu tun.

Vor Gericht sind alle Befragten aufgefordert und verpflichtet, "die Wahrheit" zu sagen, die aber letztlich nichts anderes ist als eine Darstellung dessen, was man selbst wahrgenommen und getan oder nicht getan zu haben überzeugt ist.

"Wahr sein" und "etwas für wahr halten" ist jedoch keinesfalls immer identisch.

mwalimu hat weiter oben bereits vorgeschlagen, das Thema eher aus dem Blickwinkel "Sagen was man denkt?" anzugehen, sowie den Aspekt der je individuellen Zumutbarkeit und Vermeidung von Verletzung des Anderen eingeführt - eine Sichtweise, der ich ebenfalls zuneige. Das erfordert eine Orientierung an eigenen ethischen Maßstäben und gegebenenfalls die Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung für Folgehandlungen, die ich auslösen kann, wenn ich jemanden z.B. mit einer Wahrheit konfrontiere, die ihm unangenehm ist bzw. ihn verletzt.

Erzähle ich der Kollegin, die mir von ihrer wunderbaren Ehe vorschwärmt, dass ihr Mann seit zwei Jahren ein außereheliches Verhältnis hat, von dem "alle" zu wissen scheinen außer ihr? "Um der Wahrheit willen"?
Und lautet die Antwort anders, wenn es nicht irgendeine Kollegin ist, sondern die beste Freundin?

Erzähle ich dem Fünfjährigen, der nicht versteht, weshalb ein Elternteil ausgezogen ist und nicht mehr zu Hause wohnt, "um der Wahrheit willen" die ganzen schmutzigen Details des vorangegangenen Beziehungskrieges, die dazu geführt haben?

Ist es, "um der Wahrheit willen", der richtige Zeitpunkt, der auf dem Totenbett liegenden Mutter mitzuteilen, dass man als junge Frau von ihrem Lebensgefährten missbraucht wurde?

Es gibt Menschen, die für sich entschieden haben, im Falle der Diagnose einer schweren, zum Tode führenden Erkrankung vorzeitig aus dem Leben zu scheiden, und dies auch bereits zu gesunden Zeiten mitgeteilt und schriftlich niedergelegt haben. Habe ich das Recht, als eng(st)e Angehörige ihm die Diagnose vor zu enthalten bzw. eigenmächtig "abzuschwächen", um den Suizid zu verhindern?

Die Gesetze unseres Landes legen fest, dass weibliche Bewerberinnen bei Bewerbungsgesprächen das Recht haben, dem potenziellen Arbeitgeber eine bereits zu diesem Zeitpunkt bekannte Schwangerschaft zu verheimlichen. Wie ist das zu beurteilen? Bin ich moralisch nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen? Als Ehepartner eines vor Gericht Angeklagten darf ich mich der Aussage enthalten, wenn sie den anderen belastet. Auch hier wird also eine Ausnahme von der üblichen Regel wahrheitsgemäßer Aussagen akzeptiert.

Für mich ist der Umgang mit der "Wahrheit" eine Frage der inneren Haltung eines Menschen, die nicht ein und für alle mal klärbar ist, sondern in jeder einzelnen Situation neu zu entscheiden ist. Persönlich wünsche ich mir ein größtmögliches Maß an Selbstbestimmtheit für meinen bewussten Lebensvollzug. Ich möchte z.B. wissen, wenn ich von einer tödlichen Krankheit befallen werde, um letzte Dinge ordnen und mich verabschieden zu können. Und ich versuche, mein Leben so zu gestalten, dass ich weiterhin, so wie bisher, auch unangenehmen Wahrheiten über mich selbst gewachsen bin.
*******sima Frau
2.437 Beiträge
Für die philosophisch orientierten Mitglieder der Akademiker
hier noch ein ergänzender Lese-Hinweis zum Thema "Wahrheit":

Der Wahlspruch der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität lautet : "Die Wahrheit wird Euch frei machen". In goldenen Buchstaben prangt er unübersehbar von der Westfront des 1911 damals neu errichteten Kollegiengebäudes KG1 über den Fenstern der Aula und hat seither Generationen von Studierenden begleitet, so einst auch mich.

2003 gab es in der Katholischen Akademie Freiburg eine Tagung unter der Überschrift: Welche Wahrheit braucht der Mensch? Wahrheit des Wissens, des Handelns, des Glaubens. In diesem Rahmen hielt der emeritierte Freiburger Germanist Gerhard Kaiser, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für neuere deutsche Literatur, einen bemerkenswerten Vortrag mit dem Titel:

Die Wahrheit wird euch frei machen.
Die Freiburger Universitätsdevise -
ein Glaubenswort als Provokation der Wissenschaft

nachzulesen unter: https://freidok.uni-freiburg.de/dnb/download/2091

Besonders etwa ab S. 68 setzt er sich da mit dem geisteswissenschaftlichen Wahrheitsbegriff auseinander.

Ich hoffe, in einer "Akademiker Gruppe" darf man einen solchen Querverweis auf eine eher akademische Auseinandersetzung mit einem Thread-Thema auch einmal einstellen, ohne gleich die mit Augenrollen-Smiley verzierte Frage zu riskieren, was das nun in einem Erotik-Forum zu suchen habe. *g*
*******use Mann
3.197 Beiträge
Wahrheit ein Dogma oder den Umständen entsprechend?
1. Wahrheit gegenüber dem Chef/-in

Das hängt nicht unwesentlich von der Persönlichkeit des Vorgesetzten
ab, denn letztendlich sitzt dieser am längeren Hebel.
Allzu offensichtliche Unwahrheiten fasse ich zusätzlich als Beleidigung
auf, weshalb es mir schwer fällt, dann die Klappe zu halten (ungefragt
zu schweigen ist für mich keine Lüge).
Die Konsequenz daraus war für mich etwas später neuer Job+ Umzug.
Das kann richtig, weil konseqent sein, ist aber nicht beliebig wiederholbar,
da dies Energie kostet, die mit zunehmenden Alter schwindet.

2. Scheidungskind

Einem Fünfjährigen das ganze Beziehungschaos aufbürden zu wollen,
ist natürlich Quatsch. Zynisch könnte man auch sagen, dass sowieso
egal ist, was dem Kind erzählt wird, weil es sowieso alles vergessen wird
(Das Langzeitgedächtnis beginnt erst in diesem Alter sich herauszubilden.).
Aber das Kind wird mit zunehmendem Alter noch öfter fragen und nun
wird es interessant.

Was wenn die Tochter zum Zeitpunkt der Trennung schon 14 ist und
nun die Mutter nach dem Grund fragt? Die Zeit der Märchenstunden ist
hier vorbei. *g*
Entsteht hier nicht geradezu die Verpflichtung, die Sicht auf die Beziehung
zu objektivieren, um den Vater (der dies ja lebenslang bleibt) nicht zu
"bestialisieren"?
(Die Instrumentalisierung von Kindern im Ehestreit finde ich generell
unterirdisch- egal von welcher Seite.)
Im täglichen Zusammenleben gewinnen ja auch größere Kinder einen
ganz eigenen Eindruck.
Ich würde also jede Frage nach bestem Gewissen ehrlich beantworten,
denn sonst würde das hoffentlich vorhandene Vertrauensverhältnis
nachhaltig beschädigt.
Das Thema Sex würde ich nicht von allein dabei berücksichtigen
(Aus Sicht der Kinder haben Eltern keinen Sex und oft auch umgekehrt.),
aber auch hier ggf. eine ehrliche Antwort geben oder diese mit dem
Hinweis, dass auch Eltern ein Recht auf Intimssphäre haben, verweigern.

3. Der Joy

Männer machen sich hier anscheinend gern etwas jünger/größer/ schlanker
und schlauer sowieso.
Frauen lassen manche Angaben lieber gleich ganz weg.
Beides ist für mich inakzeptabel, hier ist für mich also Wahrheit ein Dogma
bzw. zu sich selbst zu stehen. *g*
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